Der denkmalgeschützte Innenraum der Hedwigskathedrale, 1963 von Prof. Hans Schwippert geschaffen, seit 2018 geschlossen und im Zuge eines Radikalumbaus in Verantwortung von Erzbischof Koch zerstört.

Dienstag, 25. August 2015

Der Himmel ist hoch und der Papst ist weit



Wie man dem Vatikan Wünsche als Rettungsmaßnahmen verkauft
Der Papst sitzt im fernen Rom und die Kirche gründet sich auf Glauben. Da sollte Franziskus schon glauben, was das Erzbistum Berlin über die St. Hedwigs-Kathedrale zu sagen hat, wenn man Prälat Jüsten trauen kann.
      Man konnte nicht auf einen Bischof warten. Um das Bistum vor Schaden zu bewahren, wurden wichtige Entscheidungen getroffen, bevor er im Amt ist.
      Es ist schnell etwas zu unternehmen, damit die Kathedrale nicht einstürzt.
      Die Gründungspfähle der Kathedrale müssen eilig ausgetauscht werden, (die 240 Jahre verlässlich das Fundament der Kathedrale trugen,) sonst droht Unheil.
[Anmerkung: Das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung – denn die Änderung der Grundwasser- und Bodenverhältnisse durch Umbaumaßnahmen würde die Tragfähigkeit tatsächlich fahrlässig gefährden.]

      Wenn man schon die Gründungspfähle austauschen „muss“, kann man mit etwas Beton und viel Farbe auch gleich die Kathedrale umbauen. Das wird nicht viel mehr kosten, als die Sanierung sowieso schon verschlingt.

Der moderne Pseudo-Isidor* an der Spree?
* Pseudo-Isidor: Im 9. Jahrhundert verfassten westfränkische Kleriker Texte, die als echte Papstbriefe und kirchliche Rechtssätze gelten sollten. So wollte man u. a. die eigene Stellung in der Kirche stärken. Erst im Spätmittelalter wurden die pseudoisodorischen Fälschungen entlarvt.
Am 28. Juni 2015 wurde das 25-jährige Jubiläum der Katholischen Akademie Berlin mit einem Festvortrag von Kulturstaatsministerin Grütters und einem Empfang begangen. Anwesend war auch der Leiter des Katholischen Büros Berlin der Deutschen Bischofskonferenz, Prälat Dr. Karl Jüsten, der den Kontakt der Katholischen Kirche Deutschlands zur Bundespolitik koordiniert. Er beantwortete Fragen von zwei Vertretern der Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale. Wesentliche Teile der erstaunlichen Auskünfte, die in einer ausführlichen Niederschrift festgehalten wurden, werden hier wiedergegeben.


Klage beim Vatikan wegen Kompetenzüberschreitung der Vakanzleitung

In einem Rekursverfahren, das beim Vatikan noch anhängig ist, wird erkundet, ob nach kanonischem Recht die zwischenzeitliche Leitung in der Sedisvakanz ohne die Entscheidung eines Diözesanbischofs zu grundsätzlichen und die Zukunft vorbestimmenden Beschlüssen befugt war, wie die Ausgabe von 1,5 Mio. Euro zur Vorbereitung des Bauantrages zum Umbau der Kathedrale.
Prälat Jüsten stellte auf Nachfrage fest, dass der Diözesanadministrator so entscheiden durfte [Beauftragung von Umbauplanung vor einem Umbaubeschluss], wenn nur dadurch Schaden von dem Erzbistum abzuhalten war.
Nach kanonischem Recht (Can. 428 §1 Codice di Diritto canonico) gilt, dass ein Diözesanadministrator keine grundlegenden Entscheidungen treffen darf.
Die Regel lautet: "Sede vacante nihil innovetur"
(Während der Bischofsstuhl leer ist, darf nichts verändert werden.)
Wie stellt man nun dar, dass eine heroische Rettungstat vonnöten ist, um akute Schädigung von dem zentralen Gotteshaus abzuwenden, das seit 240 Jahren im Eigentum der (Pfarr- bzw.) Domgemeinde St. Hedwig vor Schaden bewahrt war und ohne Eingriffe sicher steht?    


Offizielle Angaben des Erzbistums Berlin zum Bauzustand der Kathedrale und den Kosten einer Sanierung
Ein vom Erzbistum beauftragtes Gutachten, das 2013 den Bauzustand dokumentierte und Grundlage des Realisierungswettbewerb bildete, kam zu dem Ergebnis: „Der bauliche Zustand der St. Hedwig-Kathedrale ist zurzeit weitgehend intakt.“

Die erforderliche Sanierung (Reinigung, Farbfassung, Elektrik, Heizung u. a.) wäre nach Berechnungen des Erzbistums für hochgegriffene 5 Mio. Euro ausführbar. [1]    
Schilderten die Verantwortlichen des Erzbistums diese Tatsachen dem Vatikan, wären die Vorentscheidungen der Vakanzleitung, die den Erzbischof nun bedrängen, vom Papst wohl als Fehler erkannt worden und hätten zu einer externen Prüfung geführt (wie beim Bauvorhaben auf dem Domberg in Limburg).
Die Horrorbotschaften vom bevorstehenden Untergang der Kathedrale

Prälat Jüsten widersprach bisherigen diesbezüglichen Aussagen und Gutachten des Erzbistums und meinte, die notwendige Sanierung müsse auch eine umfassende Fundamenterneuerung der Kathedrale enthalten. Ohne diese, die Standsicherheit rettende Maßnahme, wäre die Kathedrale nicht zu erhalten. Dann können die wenigen Umbaumaßnahmen gleich mit erledigt werden, die die Kosten nicht wesentlich erhöhen würden.

St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin in Bedrängnis _umringt von Baustellen _bedroht von Umbauplänen

Ein taktischer Ausrutscher
Zunächst führte Prälat Jüsten aus, dass die Umbaumaßnahmen an der benachbarten Staatsoper bereits zu Schäden an der Kathedrale geführt hätten. Deshalb müsse man nun schnell handeln, um dem Bestand der Kathedrale zu sichern.
Beweissicherungverfahren erfordert den Stopp der Umbauvorbereitungen
Aus baufachlicher Sicht erforderte diese Tatsache einen sofortigen Stopp aller Umbauvorbereitungen. Im Interesse des Erzbistums dürfte ein langfristiges  Beweissicherungsverfahren nicht gestört werden, um die finanzielle und bauliche Schadensregulierung dem Verursacher, der Staatsoper, zuordnen zu können. Ansonsten verlöre das Erzbistum alle Ansprüche auf Schadensausgleich.
Dieser Erklärungsansatz für notwendige Maßnahmen war also nicht schlüssig.   
Ein einfallsreicher Begründungsversuch
Daraufhin argumentierte Prälat Jüsten, dass die Standsicherheit sowieso gefährdet sei, wenn die Pfahlgründung nicht erneuert werden würde. Ob die Fragenden überhaupt wüssten, was die Auswechslung eines einzigen Gründungspfahls kosten würde.
Dieser abrupte Argumentationswechsel verwunderte, da bis zum Februar 2015 noch nicht einmal ein Baugrundgutachten in Auftrag gegeben war. Zu diesem Zeitpunkt konnten Informationen an den Vatikan also nicht auf fachlichen Erkenntnissen beruhen.

Der Logik-Salto:  Teure Sanierung – preiswerter Umbau
Es stellt sich die Frage nach Gründen für den kostspieligen  Umbau der baukonstruktiv intakten und liturgisch korrekten Kathedrale:
Wieso würde das Erzbistum (dessen Verschuldung es Ende 2014 noch selbst mit 7 Mio. Euro angab) nun etwa das 10-fache der Sanierungskosten für einen Umbau ausgeben wollen? Kardinal Woelki bezifferte die Umbaukosten nach Expertenschätzung auf 40 Mio. Euro[2]   Kosten zum Schutz vor Baugrundrisiken konnten wegen nicht beauftragter Bodenuntersuchungen noch nicht enthalten sein.
Prälat Jüsten meinte, es würde genau anders herum sein. Die Sanierung wäre das Teuerste. Der Umbau betrifft nur ein paar ergänzende Baumaßnahmen – einige Betonierungsarbeiten [„Das Loch muss weg!“] und ansonsten hauptsächlich Malerarbeiten. Allzuviel würden die Farben schon nicht kosten.
Diese Ausflüchte von Prälat Jüsten sind untauglich, da der Umfang der lt. Siegerentwurf vorgesehenen Baumaßnahmen anhand maßstäblicher Pläne bekannt ist. Durch den Umbau sind Abgrabungen im Baugrund bei den Fundamenten (im und neben dem Bestand) und die fast vollständige Unterkellerung der Hoffläche direkt hinter der Kathedrale geplant. So würde erst durch die in diesen Plänen vorgesehenen Eingriffe in den Fundamentbereich eine Gefährdung der Kathedrale entstehen. Nur durch eine derartige Belastung der alten, gesetzten Fundamente entstünden Standsicherheitsrisiken, die einen enormen Aufwand für Rettungsmaßnahmen provozieren würden.

Anschauungsobjekt für ein absehbares Fiasko – die Baustelle der Staatsoper
Das anschaulichste Beispiel liegt vis á vis. Die Abgrabungen im Rahmen des Umbaus der Staatsoper hatten wesentlichen Anteil an der Bauzeitverlängerung auf mindestens 7 Jahre und der Kostensteigung von über 160 Mio. Euro.
Für die an der Kathedrale geplanten unterirdischen Anbauten sind Abgrabungen großen Ausmaßes erforderlich. Beispiele in der Nachbarschaft zeigten, dass ein Umbau Grundwasserabsenkungen nötig machen kann, die erst zur Schädigung der Jahrhunderte alten Pfähle führen können. Die enormen Kosten für Sicherungsmaßnahmen an Fundamenten würden demnach nicht durch die Sanierung, sondern allein durch einen Umbau verursacht werden.

Hat das Erzbistum den Vatikan nur zur Abwehr einer Klage mit derart abwegigen Angaben irregeleitet?
(Es wäre ein Husarenstück, auf das geistliche Würdenträger nicht stolz sein dürften! Bischof Tebarz-van Elst hatte einem weltlichen Richter die Wahrheit vorenthalten. Wie ist es um die Ehrlichkeit der Vakanzleitung in Berlin gegenüber dem Papst bestellt?)
Der Papst ist weit und sieht es nicht.
… und die Wahrheit kommt doch ans Licht.



Im Zentrum der  Kuppel der St. Hedwigs-Kathedrale _ein Lichtblick
























Quellen
Die Fußnoten des Textes beziehen sich auf die im folgenden aufgeführten Quellen, die zur Überprüfung oder Vertiefung des Themas im Einzelnen nachgewiesen werden.  Sie sind unter dem Button „Weitere Informationen“ abrufbar.



[1] Dompropst Rother
 „Herr Dompropst Rother erklärt, dass allein schon für die Sanierung und Reinigung der Kathedrale Kosten in Höhe von 5 Millionen Euro anfallen würden.“

Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin_Protololl der Vollversammlung am 05.04.2014
[2] Erzbischof Kardinal Woelki

„Expertenschätzungen zufolge könnte der Umbau – abhängig vom ausgewählten Entwurf – bis zu 40 Millionen Euro kosten.“
Berliner Morgenpost_02.02.2014_St. Hedwig soll Wahrzeichen deutscher Katholiken werden_Interview mit Kardinal Woelki
http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article124457351/St-Hedwig-soll-Wahrzeichen-deutscher-Katholiken-werden.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen